Montag, 30. März 2015

Im Archiv gekramt...

Heute habe ich mich nach langer Zeit mal mit alten Texten befasst, die ich früher so geschrieben habe... das sind ja teilweise sehr groteske Sachen! Wie zum Beispiel diese kurze Geschichte hier:

Muttersöhnchen 

Dieses Wort, dieses Wort konnte er nicht mehr hören. Er würde einfach einmal allen zeigen, dass er durchaus imstande war, etwas ohne seine Mami zu erledigen.

"Das ist ein Überfall! Legen Sie sich auf den Boden und... und Hände über den Kopf, na los!", brüllte er wenige Sekunden später auch schon in der örtlichen, zugegebenermaßen wenig Chancen auf die große Beute versprechenden Bankfiliale, von der Festigkeit seiner Stimme selbst überrascht, hatte diese ihm doch bei anderen öffentlichen Kommunikationen mit größeren Menschenmengen in der Vergangenheit bereits mehrmals versagt.

Der Bankleiter, ein beinahe sechzigjähriger Silberfuchs im höchst eleganten Nadelstreifanzug, dem in gegebeneren Umständen angesichts seiner charmeversprühenden melierten Koteletten die Damen zu Füßen lagen, gab sich, nicht mehr ganz so cool wie sonst, mutiger als er war, und begann auf den Bankräuber einzureden.

"In Ordnung, wir machen es so, wie Sie wollen, aber bitte legen Sie die Waffe weg, sie macht einigen meiner Kunden ja schon Angst!"

Rasch blickte der Bankräuber zum Schalter hinüber. Dort sah er eine entsetzte, einen pfefferminzbonbonfarbigen Zweiteiler tragende Lady späteren Semesters, die schräg, vermutlich eine damenhafte Ohnmacht vortäuschend, an der Holzverkleidung hing, und sich nur mit ihren kurzen Fingern festhielt. Sie starrte ihn mit schreckgeweiteten Augen und ebenso offenem Mund an, und erinnerte ihn damit unangenehm an seine Tante Cecilia. Um durch diesen plötzlichen Anblick keine Erinnerungen an diese unsägliche Frau heraufzubeschwören, befahl er ihr, sich ebenfalls auf den Boden zu legen. Doch Misses Pfefferminz hatte anscheinend mehr Mut als der Silberfuchs hinter ihrem Schalter, sie rappelte sich auf und stolzierte zielstrebig in ihren farbtongleichen Wildlederpumps zu ihm hinüber, um ihm die Waffe aus der Hand zu schlagen. Alle, besonders die zwei Kinder, die mit ihrer Mutter und ihren bunten Sparbüchsen hier waren, und sich von dem Ausflug einen Luftballon erwartet hatten und keinen Kopfschuss, duckten sich angsterfüllt und um ihr Leben fürchtend, denn sie billigten der Lady keine allzu großen Chancen zu, den Übeltäter zu überwältigen. Und schon ertönte ein Schuss und die Sparefroh-Pappfigur an der Wand verlor ihren Kopf mit der roten dreieckigen Mütze. Lady Peppermint kreischte, weil der Schuss beinahe ihre millionenschwere, von protzigen Klunkern klimpernde Hand weggepustet hätte, und der Bankleiter griff sich theatralisch an die Brust. Eine junge Frau mit großen Ohrringen blickte genervt auf die Armbanduhr, und die Kinder sagten: "Maaami! Maaaaaaaamiiiiiiiiii!!" und "Ich muss lulu".

"Habt ihr jetzt alle kapiert?!", ließ der Bankräuber mit versucht grausamen Unterton verlautbaren. "Also her mit der Kohle!"

Seine Aufmerksamkeit galt nun wieder dem unglückseligen Leiter, der sich schon fragte, ob er heute mit dem falschen Fuß aus seinem Klöppel-verzierten Bett gestiegen war.

"Alles hübsch in Säcke packen". 
"Ähm, so etwas haben wir hier nicht." 
"Keine Säcke? ... Hm, na gut, dann eben..." Alle blickten gespannt auf die in Falten gelegte Stirn des Kriminellen, die scheinbar anzeigte, dass er angestrengt darüber nachdachte, was als nächstes zu tun sei.

"Dann packen Sie es eben in die Tasche von der!"

Er zeigte auf die große Schlangenleder-Handtasche der Pfefferminzlady, ebenfalls im selben Farbton. Doch diese war damit überhaupt nicht einverstanden, und wollte sich die Tasche nicht entreißen lassen.
 "Was hat die denn für ein Problem, die ist doch sowieso sowas von out", flüsterte das Mädchen mit den Ohrringen. Das war nicht sehr hilfreich. Herausfordernd blickte die bonbonfarbene Dame dem Gangster ins Gesicht, woraufhin der sich seinem wirksamsten Hilfsmittel, seiner Pistole, bediente, und diese der Lady unangenehm an das rechte Ohr hielt.

"Also, jetzt her mit der Tasche, oder..."

Natürlich war das genug, und die Lady wollte nun wirklich nicht ihr Leben lassen für eine Tasche, die nebenbei bemerkt gefälscht war - ihre Tochter erlaubte keine echten Tierhäute und -haare, die war bei Grienpies oder so. Also ließ sie sich die Tasche schließlich doch noch nehmen, nicht jedoch ohne vorher ihren vielfältigen Kram daraus entfernt zu haben. Dann lehnte sie sich schmollend an den Schalter. 

Mit, wie die Geiseln erfreut feststellten, hastigen Bewegungen reichte der Räuber dem Bankdirektor den provisorischen Geldbehälter, und für einen Moment überkam ihn der Gedanke, dass ihn die Leute auf der Straße eventuell schräg ansehen würden, wenn er mit so einer Handtasche herumliefe. Der Silberfuchs packte die Geldbündel, auf denen viele gierige Blicke hefteten, in die Pfefferminztasche, und forderte den Dieb auf, doch hinter den Schalter zu kommen, und sich selbst davon zu überzeugen, dass dies das ganze Geld war. Das selbe Szenario wiederholte sich an allen vier Bankschaltern. Die weiteren Angestellten machten wie erwartet keine Mätzchen, nur ein übermütiger Grünschnabel blickte etwas verdrossen drein, als würde er die freiwillige Geldausgabe keineswegs billigen. Den Räuber juckte es in den Fingern, ihm ein Scheinchen hinzuwerfen, und ihm zuzurufen, sich davon doch eine Krawatte zu kaufen, die Geschmack hatte. Aber er war ja nicht hier, um Beleidigungen auszuteilen, sondern, um seine Unfähigkeit, Dinge alleine sauber zu erledigen, zu hinterlegen. Er war sich immer sicherer, dass dafür eine Tat wie diese erforderlich war. 

Als er alle Banknoten eingesackt hatte, drehte er sich noch einmal im Kreis, um sicher zu gehen, dass keiner der Gefangenen so dreist war, einen kleinen Fluchtversuch zu starten. Nein, ein jeder befand sich noch am selben Fleck, die Hände, mit sichtbar zunehmender Anstrengung, wie die halbherzigen Versuche, die Arme zu entlasten, bewiesen, über dem Kopf haltend.

Der Bankräuber schrie: "Ich werde jetzt das Gebäude verlassen! Sie bleiben schön hier drin, und zählen bis 100, bevor Sie gehen, sonst sehe ich mich gezwungen, Sie über den Haufen zu schießen!"

Einige Gesichter flackerten angesichts dieser letzten kühnen Drohung erschrocken auf. Der Dieb schritt langsam rückwärts in die Richtung, in der er die Schiebetüren vermutete, insgeheim etwas in Sorge, in die Wand zu laufen, und so seinen gelungenen Abgang zu vermiesen. Aber nein, schon hörte er, wie sich hinter ihm die Türen öffneten, er trat rücklings hinaus in die kühle Luft, packte eilends die Pistole ein, und ging hurtigen Schrittes, die peinliche Tasche fest umklammert, zu seinem Wagen. Doch dieser war, da dummerweise im Halteverbot geparkt, unverzüglich abgeschleppt worden, nur ein schmieriger Ölfleck erinnerte noch daran. Von der Straßenecke her ertönte die wichtigtuerische Sirene eines Polizeiautos.

(geschrieben im Jänner 2007, also mehr als 8 Jahre alt ;-)

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